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Stephan Zilkens
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Seit 6 Uhr ist Kobels Kunstwoche online.
Schon mal was von der Eisbergtheorie im Zusammenhang mit stockenden Verhandlungen gehört? Um zu verstehen was da gerade in Deutschland abläuft vielleicht hilfreich. Scheinbar werden rationale Argumente ausgetauscht, die zu keiner gemeinsamen Lösung führen - das ist die Spitze des Eisbergs, sichtbar und für niemand verständlich. Bekanntlich sind 6 Siebtel des Eisbergs unter Wasser und nicht sichtbar und die Akteure hüten sich sie anzusprechen. Horst Seehofers Rücktritt vom Rücktritt zum Rücktritt ist der offensichtliche Versuch die Kanzlerin beim Karriereende mitzunehmen. In tiefster Abneigung zugetan könnte man sagen. So geht jedenfalls kein starkes Deutschland in einem starken Europa gegen die eigentlich Mächtigen der Welt.
Die European Registrars tagen noch einmal in London im November. Das Organisationsteam besteht allerdings zu einem Teil aus Mitarbeitern von Constantine und Momart, also Speditionen, die von englischen Registraren Aufträge erhalten. Ob hier nicht der Bock zum Gärtner gemacht oder die Teilnahme am Organisationskomitee Einfluß auf Sponsoring und Vorträge nimmt, wird sich während der Tagung zeigen. Zum Glück sind ja auch ein paar Kolleginnen aus Museen dabei. Von Samstag bis Montag (17.- 19.11. 2018) geht die Veranstaltung. Das nenne ich vorbildlichen Einsatz: Arbeitstage sind Sonntag und Montag! Montags haben die Museen zu - also wird der Betriebsablauf nur gering gestört. Da sollte sich kein Kostenverantwortlicher um die Genehmigung der Dienstreise drücken. Ab März 2019 ist London dann auf einer Stufe mit so manchem Dritte Welt Land in seiner Beziehung zur EU, wenn bei den Brexit Verhandlungen nicht noch ein Wunder geschieht bzw. in England die Uhren rückwärts laufen und für den Verbleib in der EU votiert wird. Splendid isolation ist eben nicht splendid - höchstens verblendet (aber da dürfen wir in Deutschland nicht mit Steinen werfen, angesichts der unsachlichen und lauten Debatten über ein Problem, das sich seit 2017 eigentlich verflüchtigt hat).
Am Freitag tagte in Berlin der Kunstsammler e.V. auch zum Thema EU-Einfuhrverordnung von Kunstgegenständen. Mit solchen Verordnungen schafft sich der Apparat EU jedenfalls keine Akzeptanz. Auch dann nicht, wenn das ganze in den Sommermonaten durchgezogen wird. Zu viele Positionen sind einfach nicht verdaulich und mit der Realität nicht in Einklang zu bringen. Jetzt brauche ich im Falle der Wiedereinfuhr eines chinesischen Tellers des 18. Jahrhunderts aus Familienbesitz in die EU eine Genehmigung mit Herkunftsnachweis des Landes aus dem mein zigfacher Urgroßonkel das gute Stück vor Jahrhunderten ausgeführt hat. Der zuständige Kaiser und seine Verwaltung haben längst abgedankt. Absurder gehts kaum. Das trifft allerdings nicht nur private Eigentümer: 80% der deutschen Museen können für Bestände die älter als 250 Jahre sind keine Genehmigung mit Herkunftsnachweis vorlegen. Sicherheitshalber reist dann nur noch Kunst, die maximal 200 Jahre alt ist. England gehört ab März 2019 nicht mehr zur EU, dann gelten die Einfuhrbestimmungen auch für Kunstwerke, die aus Engalnd in die EU eingeführt werden. Ob allerdings der Kunsthandel Europas davon profitiert dürfte mehr als fraglich sein. Die größten Umsätze werden in USA und China gemacht - Europa hat zwar die längste Tradition, aber kaputtpflegen hat noch nie genutzt.
Eine kleine Mars Figur (Spätrenaissance) von Giambologna regt die moralisch Sattelfesten auf, weil die Bayer AG diese Skulptur in London versteigern lässt, um mit den Erlösen die eigene Kunstsammlung weiter zu entwickeln. Angeblich wurde die Arbeit ins Ausland geschleust - so ein Blödsinn: sie ist einfach vor dem KGSG (schon vergessen? Kulturgutschutzgesetz) rechtzeitig ausgewandert, weil die damals einzige Kulturstaatsministerin keinen fair market value für nationales Kulturgut zugestehen wollte und mit Hilfe der Kanzlerin ein Enteignungsgesetz vom Bundestag hat beschließen lassen. Was die Kritiker der Auktion auch geflissentlich übersehen ist, daß bereits mindestens ein Exemplar des Mars in den Sammlungen der Stiftung preussischer Kulturbesitz steht (und das hat auch noch sein Schwert) und ein weiteres sich in München in öffentlichem Besitz befinden soll. Jetzt rächt sich die fehlende Definition für das, was nationales Kulturgut sein soll. Meine nationale Identität definiere ich jedenfalls nicht über einen kleinen Kriegsgott, den ein in Frankreich geborener, in Belgien teilweise ausgebildeter Bildhauer transnationalen Zuschnitts in Italien um 1580 geschaffen hat.
Wir wünschen Ihnen eine zankfreie Woche mit viel Sonnenschein und nächtlichem Regen zum Gedeihen
Ihr Stephan Zilkens und das Team der Zilkens Fine Art Insurance Broker GmbH